Diese Frage beschäftigt mich schon länger. Nachdem ich schon oft im Freundes- und Bekanntenkreis darüber diskutiert habe, wollte ich jetzt von der Online-Welt wissen: Was hält die meisten Menschen deiner Meinung nach davon ab, nachhaltiger zu leben? Auf diese Frage habe ich auf dem sozialen Netzwerk Threads viele spannende Antworten bekommen. Die meisten decken sich mit meiner eigenen Wahrnehmung - sowohl inhaltlich als auch darin, dass es auf die Frage keine einfache Antwort gibt. Mit diesem Blogartikel möchte ich einen Überblick geben über mögliche Gründe, die mir und anderen Threads-Nutzer:innen eingefallen sind.

Auf meine Frage habe ich bei Threads 43 Kommentare erhalten.
1. Bequemlichkeit, Gewohnheit & Trägheit
Der mit Abstand am häufigsten genannte Grund lautet „Bequemlichkeit“. Nachhaltiger zu leben bedeutet fast immer, Gewohnheiten zu hinterfragen und Routinen zu verändern. Statt im Supermarkt einfach das günstigste Produkt zu kaufen, braucht es für nachhaltige Alternativen Recherche, Planung und manchmal sogar Umwege. Statt überall bequem und vor dem Wetter geschützt im Auto hinzufahren, müssen sich Radfahrende auf verschiedene Wetterlagen einstellen und körperlich aktiv werden (mehr oder weniger, je nach Antriebsart).
Vorbereitungen und Verhaltensänderungen kosten Zeit, Energie und Nerven - Dinge, die im stressigen Alltag oft knapp sind. Da wir eigentlich darauf ausgelegt sind, Energie zu sparen, ist dieses Verhalten auch ein Stück weit natürlich.
Viele Antworten enthielten neben „Bequemlichkeit“ auch Trägheit, Faulheit, Gewohnheit, Desinteresse, Ignoranz oder mangelnde Bereitschaft zu Veränderung. Uns Menschen fällt es als Gewohnheitstieren schwer, anders oder weniger zu konsumieren. Selbst, wenn Veränderungen sinnvoll wären, fühlen sie sich oft unbequem an und wir verschieben sie auf später.
2. Kosten & soziale Ungleichheit
Der Kostenfaktor, der Preis, hohe Preise, Geld: Diese Begriffe wurden mehrfach in verschiedenen Varianten von den Threads-Nutzer:innen genannt. Es geht also auch darum, wer sich ein nachhaltiges Leben überhaupt leisten kann. Bio-Lebensmittel, faire Kleidung, klimafreundliche Mobilität: All das kostet oft (noch) mehr als konventionelle Alternativen. Für viele Menschen ist dieser finanzielle Mehraufwand einfach nicht möglich. Wer mit wenig Geld auskommen muss, kann sich Nachhaltigkeit nicht immer „leisten“ – zumindest nicht in der Form, wie sie häufig beworben wird.
Genau das spiegelt sich aber auch in einem anderen Gedanken wider: Menschen mit wenig Einkommen leben oft automatisch nachhaltiger, weil sie sich viele der wirklich umweltschädlichen Dinge (z. B. ständiges Fliegen, große Autos, Überkonsum) gar nicht leisten können. Gleichzeitig sind sie es aber, denen man beim Thema „Verzicht“ oder „Veränderung“ gern zuerst ins Gewissen redet, bzw. die sich angesprochen oder bevormundet fühlen.
Es gibt also sowohl bei finanziell starken als auch bei finanziell schwachen Menschen Gründe, die gegen eine nachhaltige Lebensweise sprechen. Für Menschen mit wenig Geld kann es sich lohnen, eher außerhalb von Supermärkten nach Möglichkeiten für eine nachhaltige Lebensweise zu suchen: Secondhandläden für Kleidung, Werkzeuge und Alltagsgegenstände leihen, ausgediente Gegenstände weiterverkaufen, statt wegzuwerfen. Für Menschen mit viel Geld sprechen wahrscheinlich eher Bequemlichkeit (siehe Punkt 1) oder gesellschaftliche Statussymbole (siehe Punkt 6) gegen einen nachhaltigeren Lebensstil.

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3. Fehlendes Bewusstsein
Obwohl Nachhaltigkeit gefühlt in aller Munde ist - die wirkliche Bedeutung dieses Wortes hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Es geht bei einer nachhaltigen Lebensweise nicht nur um Konsum, Wohnen und Mobilität, sondern auch um die Verbindung zur Natur an sich. Einige Threads-Nutzer:innen haben darauf hingewiesen, dass vielen Menschen heute der Zugang zu sich selbst, zur Natur und zu einem echten Bewusstsein für die Folgen ihres Handelns fehlt.
In einer Welt, die ständig nach mehr, schneller und lauter ruft, bleibt kaum Raum für Stille, Nachdenken und Verbindung. Viele Menschen funktionieren einfach im Autopilot-Modus – gefangen im Alltag, überfordert von Reizen und Anforderungen. Da ist kein Platz für die Frage: Was hat mein Lebensstil eigentlich mit dem Zustand der Welt zu tun?
Ein:e Nutzer:in hat es sehr schön formuliert: Unser „wahres Selbst“, das die Natur liebt und Tiere achtet, ist oft überlagert von Erwartungen, Ablenkung und innerer Leere. Wer keinen Bezug mehr zur Umwelt oder zur eigenen inneren Stimme hat, wird auch keinen Grund sehen, nachhaltig zu handeln.
Auch fehlendes Problembewusstsein wurde mehrfach genannt: Müll wird abgeholt, Strom kommt aus der Steckdose, Kleidung hängt billig im Laden – die Auswirkungen sehen wir selten direkt. Was wir nicht sehen (wollen), das fühlen wir auch nicht als dringlich.
4. Angst, Unsicherheit & Veränderungsresistenz
Veränderung ist selten bequem – und oft mit Unsicherheit verbunden. Angst vor dem Unbekannten und die Schwierigkeit, aus gewohnten Mustern auszubrechen, wurden mehrmals thematisiert. Nachhaltiger zu leben bedeutet für viele, vertraute Komfortzonen zu verlassen, liebgewonnene Routinen zu hinterfragen und sich mit unbequemen Wahrheiten auseinanderzusetzen (siehe auch Punkt 1 und Punkt 3).
Es geht dabei ja nicht nur um neue Einkaufsgewohnheiten – es geht um einen Wandel in der eigenen Haltung, im Lebensstil, im Selbstbild. Und dieser Wandel fühlt sich schnell bedrohlich an, besonders wenn man das Gefühl hat, auf etwas verzichten zu müssen.
Hinzu kommt ein gesellschaftliches Narrativ des Mangels: Nachhaltigkeit wird oft mit Verlust und Einschränkung assoziiert. Wer gewohnt ist, Fülle mit Konsum gleichzusetzen, reagiert verständlicherweise irritiert, wenn plötzlich Verzicht oder Reduktion angestrebt werden sollen. Um dem entgegenzuwirken, braucht es positive Beispiele und emotionale Sicherheit: Anerkennung auch ohne Statussymbole (Punkt 6), genug Kleidungsauswahl zum Anziehen trotz minimalistischem Kleiderschrank, leckere und gesunde pflanzenbasierte Rezepte.
5. Gesellschaftliche & systemische Hindernisse
Obwohl uns das oft suggeriert wird: Es liegt nicht nur an den einzelnen Menschen, ihr Leben nachhaltiger zu gestalten. Auch das gesellschaftliche System, in dem wir leben, macht es schwer, nachhaltig zu handeln. Kapitalismus, Konsumgewohnheiten, Werbung – all das beeinflusst unsere Entscheidungen tagtäglich.
Ein Nutzer schrieb: „Kein richtiges Leben im falschen System“ – und genau da liegt ein wichtiger Punkt. Solange kurzfristiger Profit über Gemeinwohl gestellt wird, Unternehmen kaum Verantwortung für Umwelt und Menschenrechte übernehmen müssen und nachhaltiges Verhalten oft mehr Aufwand als Unterstützung bedeutet, ist es kein Wunder, dass viele irgendwann resignieren.

Auch mit guten Absichten wird uns die Umstellung auf eine nachhaltige Lebensweise oft erschwert.
Statt Nachhaltigkeit zu fördern, belohnt das System häufig genau das Gegenteil: Schnäppchenjagd statt Fairness, Fast Fashion statt Langlebigkeit, Flugreisen statt Bahnfahrt. Wer gegen diesen Strom schwimmt, braucht Durchhaltevermögen – und manchmal auch Geld und Privilegien, um überhaupt mitzumachen.
Dazu kommt: Viele nachhaltige Optionen sind schlicht nicht niedrigschwellig genug. Unverpackt-Läden, Repair-Cafés oder faire Labels sind oft nur in größeren Städten verfügbar, schlecht erreichbar oder wenig bekannt. Und solange politische Rahmenbedingungen fehlen, die Nachhaltigkeit zur Regel statt zur Ausnahme machen, bleibt vieles eine individuelle Anstrengung – anstatt strukturelle Veränderung. Deshalb wäre es wichtig, endlich politisch und gesellschaftlich Bedingungen zu schaffen, die nachhaltiges Handeln einfacher, attraktiver und zugänglicher machen.
6. Werte, Konsum & Statussymbole
Neben all den praktischen und strukturellen Hürden geht es beim nachhaltigen Leben auch um tieferliegende Fragen: Was ist mir wirklich wichtig? Wie definiere ich Erfolg, Sicherheit oder Glück? Und: Wie viel Raum nimmt die Meinung anderer in meinem Leben ein – also das, was andere über mich denken?
Wir sind als soziale Wesen abhängig von der Gemeinschaft anderer Menschen und müssen mehr oder weniger dazugehören. Dieses natürliche Bedürfnis wird uns in einer Welt voller Möglichkeiten aber schnell zum Verhängnis - FOMO lässt grüßen.
Wer sich über Besitz und Konsum definiert, empfindet „Weniger“ schnell als persönlichen Verlust. Und wer mit seinem Umfeld mithalten will, passt sich lieber an, statt neue Wege zu gehen. Das hat nicht immer etwas mit Ignoranz zu tun – oft geht es um Zugehörigkeit, Selbstwert oder das Bedürfnis, gesehen zu werden.
Gleichzeitig zeigen einige Antworten auch: Es braucht nicht den großen Umbruch, um nachhaltiger zu leben. Manche nannten ganz einfache Prinzipien wie „nicht jedem Trend hinterherhecheln“ oder „nur kaufen, was ich wirklich brauche“. Das zeigt: Nachhaltigkeit beginnt oft da, wo wir unsere Entscheidungen bewusst treffen – unabhängig vom Außen.
Fazit: Nachhaltig leben ist kein einfacher Weg
Die vielen Antworten auf meine Threads-Frage haben mir noch einmal deutlich gemacht: Nachhaltiger zu leben scheitert selten an einem einzelnen Punkt – es ist meist ein komplexes Zusammenspiel aus inneren Hürden, äußeren Umständen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Hier nochmal die sechs Hauptgründe im Überblick:
- Bequemlichkeit & Gewohnheit,
- Kosten & soziale Ungleichheit,
- Fehlendes Bewusstsein,
- Angst, Unsicherheit & Veränderungsresistenz,
- Gesellschaftliche & systemische Hindernisse,
- Werte, Ego & gesellschaftliche Statussymbole.
Auch, wenn einiges gegen eine nachhaltige Lebensweise spricht, können wir anfangen, bewusstere Entscheidungen zu treffen. Kleine Schritte, mutige Fragen und ehrliche Gespräche können schon viel bewirken. Und manchmal ist der wichtigste Schritt der, sich selbst und andere nicht zu verurteilen, sondern gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie ein gutes Leben für alle aussehen kann – heute und in Zukunft.
Was denkst du: Was hält die meisten Menschen deiner Meinung nach davon ab, nachhaltiger zu leben? Fallen dir weitere Gründe ein oder hast du ähnliche Beobachtungen gemacht wie ich? Lass es mich in einem Kommentar wissen!