21. September 2024

Warum „unzivilisiert“ kein Schimpfwort ist


Der Begriff "unzivilisiert" wird oft als Schimpfwort verwendet – eine Beleidigung, die auf Chaos oder Rückständigkeit abzielt, und oft mit rudimentär, primitiv oder ungebildet gleichgesetzt wird. Doch warum eigentlich? Was bedeutet es wirklich, unzivilisiert zu sein? Ist es tatsächlich etwas Negatives, oder steckt vielleicht sogar etwas Wertvolles dahinter, was wir in unserer modernen, durchstrukturierten Welt übersehen?

In diesem Blogartikel möchte ich die gängige Vorstellung von „unzivilisiert“ hinterfragen und zeigen, dass es eigentlich kein Schimpfwort ist. Ich beleuchte die historischen Wurzeln des Begriffs und hinterfrage die gesellschaftlichen Normen, um eine alternative Sichtweise auf den Begriff zu ermöglichen. Meine Idee dahinter: Vielleicht würde uns allen eine Portion „unzivilisiert“ dabei helfen, freier, authentischer und naturverbundener zu leben?

Was bedeutet „unzivilisiert“ - früher und heute?

Der Begriff „unzivilisiert“ hat sich über die Jahrhunderte hinweg entwickelt und wurde oft genutzt, um Menschen oder Gesellschaften zu beschreiben, die als rückständig oder barbarisch galten. Historisch gesehen war „unzivilisiert“ häufig ein Label, das von kolonialen Mächten verwendet wurde, um eigene Werte und Verhaltensweisen als überlegen darzustellen. Diese Sichtweise prägte das Bild von Unzivilisiertem als etwas Negatives, das mit einem Mangel an Ordnung und Fortschritt verbunden ist. Diese historische Perspektive beeinflusst bis heute unser Verständnis des Begriffs und trägt zu den bestehenden Vorurteilen bei.

Unzivilisierte Menschen, so wie sie oft klischeehaft dargestellt werden, führen ein einfaches und naturverbundenes Leben, das sich stark von dem unterscheidet, was in modernen, industrialisierten Gesellschaften als „zivilisiert“ gilt:

  • Sie essen nicht in eleganten Restaurants oder mit Besteck, sondern mit den Händen, oft direkt aus dem, was die Natur ihnen bietet, wie Früchte, Wurzeln oder selbst gejagte Tiere. Ihre Nahrung ist unverarbeitet und frisch, ein direkterer Zugang zur Quelle.
  • Sie leben nicht in Häusern aus Stein oder Beton, sondern in einfachen Hütten, Zelten oder Höhlen, oft aus Materialien wie Holz, Lehm und Pflanzen. Es gibt keine komplexe Infrastruktur, sondern Unterkünfte, die sich harmonisch in die Umgebung einfügen. Sie wohnen also pragmatisch und naturverbunden.
  • Der Umgang mit der Natur ist respektvoll und nachhaltig. Unzivilisierte Menschen nehmen nur das, was sie brauchen, und achten darauf, die Ressourcen zu schonen. Sie sehen sich als Teil der Natur, nicht als deren Beherrscher. In Bezug auf sich selbst sind sie oft im Einklang mit ihrem Körper und ihren Instinkten, ohne den Stress und die Hektik der modernen Welt.

Das Tipi ist für viele Menschen der Inbegriff einer einfachen, naturnahen Unterkunft. (Foto von Luiz Cent auf Unsplash)

Im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass viele der Eigenschaften, die als unzivilisiert gelten, nicht zwangsläufig negativ sind. Zum Beispiel wurde das „primitive“ Leben von indigenen Völkern oft als unzivilisiert bezeichnet, obwohl es auf nachhaltigen und harmonischen Lebensweisen beruhte. Deshalb stellt sich doch die Frage, ob unsere modernen Vorstellungen von Zivilisation tatsächlich die besten oder einzig richtigen Lebensweisen widerspiegeln. Die Bezeichnung „unzivilisiert“ könnte daher eine verzerrte Sichtweise auf alternative Lebensweisen darstellen, die wir in unserer schnelllebigen und technologisierten Welt oft übersehen.

Die Vorstellung, dass „unzivilisiert“ etwas Negatives ist, nimmt uns die Chance, aus weniger konventionellen Lebensweisen zu lernen. In vielen Fällen kann ein als unzivilisiert betrachteter Lebensstil uns wertvolle Einsichten in Einfachheit, Selbstgenügsamkeit und natürliche Harmonie bieten. Indem wir uns öffnen, die vermeintlich unzivilisierten Aspekte der Welt zu betrachten, können wir uns neue Perspektiven und Ansätze aneignen, die uns helfen, in unserer eigenen, zunehmend komplexen Welt besser zurechtzukommen. Diese Erkenntnis könnte uns dazu anregen, unsere eigene Lebensweise zu reflektieren und eventuell positive Veränderungen anzustreben.


Unzivilisiertes Verhalten: Regelbruch oder Ausdruck von Freiheit?

Der Begriff „unzivilisiert“ ist stark von kulturellen Werten geprägt, die beeinflussen, was als zivilisiert oder unzivilisiert gilt. Unterschiedliche Kulturen haben unterschiedliche Standards für Zivilisation, und diese Unterschiede werden oft nicht berücksichtigt. Was in einer Kultur als unzivilisiert betrachtet wird, kann in einer anderen als normal oder sogar wünschenswert angesehen werden. Zum Beispiel könnte das Fehlen moderner Technologie in einigen Kulturen als Rückschritt angesehen werden, während es in anderen als bewusste Entscheidung für eine einfachere Lebensweise gilt. Diese kulturellen Variationen zeigen, wie subjektiv der Begriff „unzivilisiert“ ist und wie wichtig es ist, kulturelle Unterschiede zu respektieren.

Wenn wir den Begriff „unzivilisiert“ verwenden, neigen wir oft dazu, alternative Lebensweisen als minderwertig oder rückständig zu betrachten. Doch viele dieser Lebensweisen basieren auf Traditionen und Werten, die über Generationen hinweg bewährt sind. Statt sie abzulehnen, sollten wir sie als unterschiedliche Ansätze betrachten, die ihre eigenen Vorzüge haben. Zum Beispiel haben viele indigenen Völker ihre eigenen nachhaltigen Systeme entwickelt, die es ihnen ermöglichen, im Einklang mit der Natur zu leben. Diese Perspektiven können uns wertvolle Lektionen über Nachhaltigkeit und Resilienz lehren, die wir in unsere eigene Lebensweise integrieren können.

Eine Hütte im Wald: unzivilisiert, oder einfach nachhaltig und naturnah? (Foto von Peregrine Photography auf Unsplash)

Unzivilisiert: Ein Leben im Einklang mit der Natur

Oft wird „unzivilisiert“ im Kontext von Fortschritt und Rückschritt verwendet, wobei „zivilisiert“ als Inbegriff von Fortschritt gilt. Doch Fortschritt ist nicht immer linear, und was als Fortschritt angesehen wird, variiert je nach Perspektive. Viele technische und soziale Innovationen haben historische und kulturelle Wurzeln, die wir als „unzivilisiert“ bezeichnen könnten, jedoch in ihrer Zeit bedeutend waren. Es ist wichtig, Fortschritt nicht nur als technologischen oder wirtschaftlichen Fortschritt zu betrachten, sondern auch als kulturelle und soziale Entwicklungen, die den Bedürfnissen der Menschen in ihrem spezifischen Kontext entsprechen.

Traditionelle Lebensweisen, die oft als „unzivilisiert“ gelten, bieten uns wichtige Lektionen im Umgang mit natürlichen Ressourcen und sozialen Beziehungen. Viele traditionelle Kulturen haben nachhaltige Methoden entwickelt, die moderne Gesellschaften inspirieren könnten. Das Wissen um alte Praktiken wie natürliche Heilmethoden oder gemeinschaftliche Lebensformen kann uns helfen, Herausforderungen in der heutigen Welt besser zu bewältigen. Die Integration traditioneller Weisheiten in moderne Lebensstile kann zu einem ausgewogeneren und respektvolleren Umgang mit unserer Umwelt führen.

Im Gegensatz dazu halten wir „Zivilisierten“ uns aufgrund vieler Erfindungen und Technologien für besonders fortschrittlich und schlau - obwohl wir uns damit unser Leben nur immer bequemer machen, und immer abhängiger werden von Maschinen und digitalen Systemen, die wir oft nicht einmal vollständig verstehen. Während wir nach Effizienz und Komfort streben, verlieren wir zunehmend den direkten Bezug zu unseren natürlichen Ressourcen, handwerklichen Fähigkeiten und den einfachen Freuden des Lebens.

Alles zugepflastert - ist das wirklich fortschrittlich und schlau? (Foto von Paul Pastourmatzis auf Unsplash)

Ich finde, es ist an der Zeit, den Begriff „unzivilisiert“ neu zu definieren und als eine Gelegenheit zu sehen, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Statt eine Haltung der Überlegenheit zu wahren, sollten wir uns auf den Dialog und das Lernen aus anderen Lebensweisen konzentrieren. Indem wir „unzivilisiert“ als Chance zur Reflektion und zur Erweiterung unseres Horizonts betrachten, können wir wertvolle Einsichten gewinnen und unser eigenes Verständnis von Zivilisation und Fortschritt erweitern.

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Fazit: Neue Perspektive auf das Wort „unzivilisiert“

„Unzivilisiert“ ist in meinen Augen kein Schimpfwort – es ist ein Begriff, der zum Nachdenken und Hinterfragen, vielleicht auch zum Nachahmen anregt. Was wir als unzivilisiert abtun, offenbart oft wertvolle Perspektiven auf alternative Lebensweisen, die uns in unserer modernen Welt inzwischen fehlen: Unzivilisiert zu leben bedeutet nicht zwangsläufig, rückständig oder primitiv zu sein, sondern kann auch mit einem engeren Bezug zur Natur, Einfachheit und einem bewussteren Umgang mit Ressourcen einhergehen.

Während wir als „zivilisierte“ Gesellschaft häufig Effizienz, Komfort und technische Fortschritte über alles stellen, zeigt uns ein unzivilisierter Lebensstil, wie wertvoll es ist, in Harmonie mit unserer Umwelt und unseren Grundbedürfnissen zu leben. Wenn wir das Wort unzivilisiert überdenken, bemerken wir, dass dahinter eigentlich Möglichkeiten stecken, wie wir bewusster, nachhaltiger und offener leben können - eigentlich alles Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Gesellschaft.


Das war meine Meinung dazu - ich freue mich, deine Meinung zu lesen!

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Hey, ich bin Sina. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit dem Konzept „Slow Living“ entspannt und zufrieden leben können. Eine achtsame, nachhaltige Lebensweise kombiniert mit einem guten Zeitmanagement entschleunigt unseren Alltag langfristig - quasi natürlich.

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