Mit Entschleunigung wird oft Nichtstun, faulenzen und Füße hochlegen assoziiert. Damit ist das Thema Slow Living für viele sofort wieder vom Tisch - „Für Nichtstun habe ich einfach keine Zeit!“ Doch genau da liegt das Missverständnis: Entschleunigung kann dabei helfen, einerseits überhaupt Zeit für Nichtstun zu haben, und andererseits, gar nicht so viel Entspannung, Erholung und Regenrationszeit zu brauchen, wie bisher.
Auch wenn wir vielen äußeren Umständen ausgesetzt sind und gewisse Rahmenbedingungen unseres Alltags nicht frei wählen können, haben wir Möglichkeiten, Stress zu reduzieren und langfristig entspannter zu leben. Mit diesem Blogartikel möchte ich dir zeigen, dass Entschleunigung nichts mit Stillstand oder Nichtstun zu tun hat, sondern ein ganzheitliches Konzept ist, das für jeden und jede funktionieren kann. Ich verwende im Folgenden meistens den Begriff „Stillstand“, weil er etwas weiter gefasst ist, Nichtstun aber einschließt.
Was ist Stillstand?
Aus physikalischer Sicht ist Stillstand ein Zustand, der bei Abwesenheit jeglicher Bewegung oder Veränderung in einem System auftritt.
Stillstand ist der Moment, in dem sich nichts bewegt oder verändert.
Auf uns Menschen und unseren Alltag übertragen, kann Stillstand verschiedene Bedeutungen haben. Oft ist Stillstand eher negativ behaftet: Er beschreibt ein Gefühl von Stagnation und fehlender Entwicklung. Wenn wir von Stillstand sprechen, fühlen wir uns festgefahren oder befinden uns in einer Sackgasse, sehen keinen Ausweg aus einer Situation und kommen einfach nicht voran. Neutral interpretiert lässt sich von einem routinierten Alltag ohne größere Störungen sprechen. Der Zustand lässt sich aber auch auf positive Weise interpretieren: Ein Moment der Ruhe und der Reflexion, in dem wir innehalten und nachdenken können - sowohl über Alltägliches als auch über unsere Ziele, Werte und Lebensentscheidungen. Stillstand bietet eine gute Gelegenheit, um sich bewusst zu werden, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden oder Veränderungen notwendig sind.
Was ist Entschleunigung?
Physikalisch betrachtet bezeichnet Entschleunigung eine Verringerung der Geschwindigkeit oder Beschleunigung eines Objekts oder Prozesses. Es ist die Verlangsamung von Bewegung oder Veränderung.
Entschleunigung ist ein Prozess, kein Zustand.
Auf uns Menschen und unseren Alltag übertragen bedeutet Entschleunigung, das Tempo unseres Lebens zu verlangsamen: uns bewusste Zeit zu nehmen, um innezuhalten, zu reflektieren und uns auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Entschleunigung ermöglicht es uns, dem hektischen Treiben des modernen Lebens zu entfliehen und eine tiefere Verbindung zu uns selbst, unseren Mitmenschen und unserer Umgebung herzustellen.
Stillstand vs. Entschleunigung: Die feinen Unterschiede
Auf uns Menschen bezogen, gibt es ein paar kleine Unterschiede zwischen den beiden Begriffen:
- Passiver Zustand vs. aktive Wahl: Stillstand wird oft als passiver Zustand betrachtet, der ungewollt oder unvermeidlich sein kann, während Entschleunigung eine aktive Wahl sein kann, die bewusst getroffen wird, um das Leben bewusster und langsamer zu gestalten.
- Negative Assoziation vs. positive Bedeutung: Das Wort „Stillstand“ ist oft negativ behaftet und wird mit Stagnation, Blockaden oder Rückschritten assoziiert, während Entschleunigung positiv aufgefasst wird und mit innerer Ruhe, Achtsamkeit und einem bewussteren Lebensstil verbunden ist.
- Zeitliche Dimension: Stillstand kann kurzfristig sein und sich auf einen bestimmten Moment oder einen begrenzten Zeitraum beziehen, während Entschleunigung darauf abzielt, langfristige Veränderungen im Lebensstil einzuführen, die dazu führen, dass das Leben insgesamt langsamer und bewusster wird.
Insgesamt betrachtet stellt Stillstand eine aktuelle Tatsache dar, während Entschleunigung eine aktiv gelebte Strategie ist, um den Alltag bewusster und erfüllter zu gestalten.
Führt Nichtstun zu Entschleunigung?
Wenn ich zu Entschleunigung aufrufe, bekomme ich auch immer wieder als Antwort: „Aber ich kann doch nicht einfach NICHTS tun!“. Richtig - das ist auch gar nicht gemeint. Nichtstun, faulenzen, die Füße hochlegen und chillen sollten definitiv Teil unseres Alltags sein und sind sehr erholsam. Und trotzdem haben wir Dinge zu erledigen und Verpflichtungen zu erfüllen, müssen Aufgaben abarbeiten und vorankommen. Wir erinnern uns: Das Konzept von Entschleunigung bezeichnet einen Prozess, eine Verlangsamung und keinen Zustand. Deshalb gilt:
Alles, was langsamer ist als jetzt, ist bereits Entschleunigung.
Lies das ruhig nochmal - es braucht also keine tiefgreifende Veränderung, um deinen Alltag zu entschleunigen. Du musst dir nicht erst Zeit freischaufeln, um zu meditieren, Achtsamkeitsübungen durchzuführen oder wirklich mal nichts zu tun. Um die ersten Schritte zu gehen, die erste Erleichterung zu spüren und den Prozess ins Rollen zu bringen, kannst du bei kleinen Veränderungen anfangen. Um erstmal eine Übersicht zu bekommen, an welchen Stellschrauben du in deinem Alltag drehen kannst, empfehle ich dir das Konzept der idealen Woche.
Es lohnt sich, sich auf diese Art mit den eigenen Stressfaktoren auseinanderzusetzen. Neben den bewusst gewählten Momenten der Ruhe gibt es bei fehlender Vorsorge nämlich auch aufgezwungene Pausen, sozusagen „unfreiwilligen Stillstand“.
Stillstand als Folge von Stress, Überforderung und Überlastung
Wenn wir ständig getrieben und gehetzt sind, immer höher-schneller-weiter funktionieren wollen, landen wir irgendwann tatsächlich in einer Sackgasse: Nichts geht mehr. Wir werden physisch oder psychisch gezwungen, eine Vollbremsung einzulegen, sind tage-, wochen- oder sogar jahrelang ausgebremst und nicht in der Lage, unseren Alltag beschwerdefrei zu bewältigen. Die häufigste Folge für unsere mentale Gesundheit ist wohl Burnout, es gibt aber auch viele körperliche Leiden, die auf zu viel Stress und Überforderung zurückzuführen sind.
Unser Körper ist ein System, in dem alles miteinander interagiert. Psychischer Stress kann zu physischem Stress in Form von Verspannungen und Entzündungen führen, und umgekehrt. Beim Versuch, immer mehr in immer kürzerer Zeit zu schaffen, alles gleichzeitig zu managen und nur mal schnell zu erledigen, landen wir also genau in dem Zustand, den wir unbedingt vermeiden wollten: Stillstand.
Entschleunigung als präventive Maßnahme
Anstatt also immer alles aus uns herausholen zu wollen, können wir uns bewusst dazu entscheiden, einen Gang herunterzuschalten und das Tempo rauszunehmen. Durchatmen, Pausen einbauen, uns weniger zumuten und nicht überall dabei sein, nur aus Angst, etwas zu verpassen. Indem wir bewusst entschleunigen, schonen wir unsere Ressourcen und können länger von ihnen zehren.
Entschleunigung kann verschiedene Formen annehmen - zum Beispiel Verpflichtungen und Termine bewusst reduzieren, Achtsamkeit und Meditation praktizieren, langsame Aktivitäten wie Spaziergänge in der Natur genießen oder sich bewusst aus dem digitalen Alltag ausklinken. Auch bewusster Konsum, gelebter Minimalismus oder nachhaltige Mobilität können dazu beitragen, dass wir langsamer leben.
Verlangsamung ist ein Prozess, der dazu beiträgt, Stress abzubauen, die Lebensqualität zu verbessern und ein Gefühl von innerer Ruhe und Zufriedenheit zu fördern.
Fazit
Entschleunigung ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Stillstand ist ein Zustand oder ein konkret messbares Ziel, eine Momentaufnahme, eine aktuelle Tatsache. Auf uns Menschen bezogen ist Entschleunigung eine andauernde Veränderung, eine Rückkehr zum Wesentlichen, eine Lebenseinstellung. Alles, was grundsätzlich langsamer, weniger oder entspannter ist als jetzt, ist bereits Entschleunigung.
Das Gefühl von Entschleunigung ist sehr individuell, also abhängig von unserer Persönlichkeit und unserer Tagesform. Je nachdem, wie es uns gerade geht, wollen wir mehr oder weniger Tempo im Leben - und beides ist gut und richtig. Wenn du noch auf der Suche nach dem richtigen Tempo für dich bist oder dir einfach Unterstützung beim Prozess der Entschleunigung suchst, begleite ich dich gerne mit meinen Angeboten.